Vita

Alix Stadtbäumer


*1956 in Münster.Lebt und arbeitet in München

2017 Artist Residency at the Virginia Centre of Creative Arts/USA

1998 Erwin von Kreibig Preis München

1995 Förderpreis der Stadt München

1993 Hochschulförderprogramm2

1989 DAAD Stipendium London

1987 Förderstipendium der Stadt München

1982 Rijksakademie Amsterdam

1980 - 87 Akademie der Bildenden Künste München

1977 - 80 Berufsfachschule für Holzbildhauerei München

Ausstellungen (Auswahl)


2025 "UHLFELDER" Artothek & Bildersaal

2024 “Ein Ort, den es nicht gibt“ Galerie für Gäste / Aachen

2024 “ (un)finished business” Verein für Original-Radierung München e.v.

2024 “ CRACK GLUE LEAVE/ UMORDNUNG UNORDNUNG @ EAREAR München

2023 “Ranken & Rackern“ Kunstpavillon München /EA

2023 “IDON’T KNOW WHAT I WANT, BUT I WANT IR NOW” @APTGallery London

2023 “Flora und Fauna“ Pfeufer 38 München

2023 “Gesotten“ Galerie FOE München

2022 "Goldmarie und Fürstenkrone“ Museum Brot und Kunst Ulm

2021 "Planten un Blomen" Köşk München

2020 “Alienpolka“ Schloss Ausstellung der KVD Dachau, Druckgraphik

2020 “Cut“ Rathausgalerie München, großformatige Druckgraphik

2020 "Shabu-Shabu“ Galerie Weltraum München, Sapporo /Munich

2019 "Sister City Brother Project“Galerie 500m Sapporo, Austauschprojekt Munich/ Sapporo

2017 “Schlaraffenland“ Galerie arToxin München

2016 “House of Cards“Galerie OQBO Berlin

2016 “Ein gutes Blatt“ Kunsthalle Pertolzhofen/ EA

2016 Lichtinstallation Stadtpfarrkirche St Johann Erding

2015 “Falling“ Kunst in der Erlöserkirche/ Rauminstallation,

2012 “schweben“ Rathausgalerie München

2011 “Raumlabor“ White Box München

2010 “ Es diu que les dones son romantiques“ Fundacio Vallpalou/ Lleida Spanien,

2010 “Kollaps“ Kunstverein Kulturrat Bochum,

2009 “Los Desastres de la Guerra”Centro Provincial de Artes Plásticas y Diseño Havana-Kuba

2009 Galerie Schafschetzy, Graz

2008 “Kollaps“ Kunstverein Mistelbach






Temporäre Projekte im öffentlichen Raum


2014 “Heat is a form of motion“ Das Rumfordlabor, Kunstprojekt zum 200.Todestag von Graf Rumford (www.rumfordlabor.de)

2007 “Himmelsleiter“ RischArt Projekt zum 850. Stadtgeburtstag, Frauenkirche München




 

Kunst am Bau


- “Twins“ Außenraum Skulpturen / Klenze-Gymnasium München h 450 (in Vorbereitung)

- “Shibuya", Außenraum Skulptur Holzkirchen/ Novartis/ Aluminium, h 420 cm

- “Spurwechsel“ Wandgestaltung, Zieblandstr.28, München

- “Der offene Himmel“ Innenhofgestaltung Pfarrzentrum Oberhaching

- “Macht Barmherzigkeit“, Weg der Hoffnung/ 7 Kunst-Stationen im Münchner Norden

- “Sophora Sophia“, Außenraum Skulptur auf dem Giesinger Bahnhofsplatz h 320cm

- “Memory Plants“ Kunstprojekt Eingangsbereich Pfarrzentrums Herz Jesu, Winthirstr.25

- “Brause“, Kindergartenprojekt Tumblingerstraße 4, München

- Trinkbrunnen, Preysingstraße 58, München


Alix Stadtbäumer - Ranken und Rackern

Rede zur Ausstellungseröffnung im Kunstpavillon München am 7.9.2023 von Diana Ebster Kunsthistorikerin Kulturreferat München

  

Wie kommt man hier an, nach einem mit vielen Themen gefüllten Tag, unterwegs in einer belebten Stadt, wenige Schritte entfernt vom lauten Verkehr der Straße? Wie kann man sich auf den Ort und die darin gezeigten Arbeiten einlassen?

 

Alix Stadtbäumers Arbeiten sind eine stille Welt, ihre Objekte und Installationen sind nicht laut, sie versuchen einen nicht zu überwältigen, sie konzentrieren sich. Ihre Arbeiten erscheinen auf ein Wesentliches gerichtet und dessen geheimer Schönheit gewidmet.

 

Der Trend sieht jedoch ganz anders aus: mit internationalem Marketing werden von Agenturen realisierte, immersive Kunstinstallationen angepriesen, eventhafte Showrooms, in denen mit großem Technikeinsatz eine Bildflut erzeugt wird, die die Besucher*innen umspült, und diese nichts mehr leisten müssen, als sich inmitten dessen von den überbordenden Eindrücken überrollen zu lassen. Das Aufmerksamkeitsbusiness der kommerziellen Welt ist längst auch in der Kunstwelt angekommen. Und vielleicht galt dieses Prinzip auch für die Kunst immer schon, aber es gilt nicht für jede künstlerische Arbeit in gleicher Weise.

Dabei hat eine Haltung, die dem nicht entspricht, weniger mit Verweigerung zu tun als mit einer anderen Form von Wahrnehmung und Auseinandersetzung.

 

Zusätzlich inspiriert durch ein Feature des BR über die Epoche der Romantik, war daher meine Idee, den Einstieg zur Arbeit von Alix Stadtbäumer über das Konzept und die Motive der Romantik zu wählen, und ihre künstlerische Arbeit als eine zeitgenössische Version dessen zu verstehen.

Die Epoche der Romantik, die im 18. Jahrhundert als Gegenreaktion zur rationalistischen Weltanschauung der Klassik und Aufklärung entsteht, wird fälschlicher Weise immer wieder mit Wissenschaftsfeindlichkeit in Verbindung gebracht. Dabei war ihr berühmtester Vertreter – Novalis – nicht nur Dichter und Philosoph, sondern auch Bergbauingenieur, studiert in verschiedenen Naturwissenschaften. Er selbst sprach deshalb auch nicht von „Romantik“, sondern vom "Romantisieren". Seine Überlegungen erscheinen für uns heute nicht fremd, wenn es ihm darum ging, eine Welt, die säkularisiert, banalisiert und von jedem Sinn freigesprochen wurde, zur Sinnhaftigkeit zurückzuführen. "Indem ich", so liest man bei ihm, "dem Geheimen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es." 

 

Was könnte es Banaleres geben als einen Tesaroller, oder eine Flügelschraube? Was könnte gewöhnlicher sein als ein Fernglas oder ein Schweißerschutzschild, auf die wir in der Ausstellung von Alix Stadtbäumer treffen?

Nicht allein der Blick auf diese Alltagsobjekte stellt Sinn her, sondern – entsprechend der Überzeugung der Romantik – nur in der Tätigkeit, im Prozess, im poetischen Handeln, lässt sich Sinn herstellen und in die Welt bringen. Es ist ein künstlerisches, ein schöpferisches Handeln, mit dem in Bezug auf unser Sein in der Welt Sinnstiftung wieder möglich wird und die verschiedenen Welten wieder in Verbindung gebracht werden.

Der von Alix Stadtbäumer ebenso intelligent wie humorvoll gewählte Titel der Ausstellung "Ranken und Rakern" ist darauf gerichtet. Mit Ranken und Rakern verbindet sie die Idee der urwüchsigen Kräfte der Natur mit den Werkprozessen der Bildhauerei.

 

Der Begriff der Bildhauerei selbst lässt nach wie vor Schweres assoziieren, Großformatiges, Objekte mit Gewicht. Und man denkt vor allem an männliche Künstler, die sich diesen schweren Materialien und Formaten widmen. Die klassischen Werke, die wir spontan beim Begriff der Bildhauerei assoziieren sind Standbilder, Tragendes, Darstellungen von Repräsentativem.

Selbst in der späteren zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Alix Stadtbäumer sich entscheidet Bildhauerei zu studieren, ist das Feld nach wie vor eine Männerdomäne.

Sich dabei eine eigene Position zu erarbeiten braucht Energie, ein Ranken und Rakern nicht nur im Umgang mit Material, Gewicht, Technik und Dimension, sondern auch im Über- und Umformen der vermeintlichen Vorgaben und Bedingungen dieses Feldes der Kunst und seiner allgemeinen Wahrnehmung, die es Künstlerinnen nicht eben leicht machen.

 

Die Motive, die Alix Stadtbäumer wählt, sind häufig Gegenstände, die man nicht zentral im Blick hat: Tesaroller, Flügelschrauben und Schweißerschutzschild, wie schon erwähnt. Diese Objekte legen eine Spur, sie haben mit dem Prozess der künstlerischen Arbeit zu tun. In der Ausstellung, zu der Alix Stadtbäumer vom Kunstpavillon eingeladen wurde, hat sie sich dazu entschieden, den Ort selbst und dessen Voraussetzungen mit der Frage nach dem Wesen ihrer künstlerischen Arbeit zu verbinden.

Sitespecificity ist deshalb ein Schlagwort, dass einem als Kunsthistorikerin dazu sofort über die Lippen kommen will. Site specific art – also ein auf den Ort und dessen Kontext bezogenes künstlerisches Handeln – entsteht als Begriff in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Im Gegenzug zum strengen Dogma einer unbedingten Autonomie der Kunst, wie sie die Moderne propagierte, nahmen sich Künstler*innen die Freiheit, sich nicht im Auftrag, sondern aus künstlerischem Interesse auf den konkreten Ort zu beziehen.

Mit Blick auf den Kunstpavillon ist dies die Frage nach dem Ursprung des Raums, seiner Lage, Entstehung und Funktion.

 

Nach Plänen des Landschaftsgärtners Friedrich Ludwig von Sckell wird – 1804 begonnen und 1812 fertiggestellt – der klassizistische Botanische Garten angelegt, der heute als Alter Botanischer Garten bezeichnet wird.

Der Botanische Garten an sich, als domestizierte und gezähmte Natur, als Ort der Pflanzenzucht und Pflanzenbewunderung, ließe sich bereits als solches unschwer in Beziehung zur Arbeit von Alix Stadtbäumer setzen. Pflanzen, deren Formfindungen und naturgegebenes, nach Raum greifendes Drängen sind ein immer wiederkehrendes Motiv in ihrer Arbeit.

 

Die Verbindungslinien aber verzweigen sich weiter: 1854 lässt König Maximilian II nach Plänen von August von Voit dann einen für seine Zeit hochmodernen Ausstellungsbau, den sogenannten Glaspalast, auf dem Areal dieses Botanischen Gartens errichten. Industrieausstellungen ebenso wie groß angelegte Kunstausstellungen finden dort in der Folge statt. 1931 brennt dieser Ausstellungsbau durch Brandstiftung vollständig ab.

Zu den genauen historischen Umständen ab da wird weiter geforscht, ich habe mich für diese Version der Geschichte entschieden:

 

Auf einem kleineren Teil der Grundfläche des ehemaligen, durch Brand zerstörten Glaspalasts wird 1936 ein neuer Ausstellungs- und Atelierbau errichtet. Für den liniengetreuen österreichischen Bildhauer Joseph Thorak – nach Arno Breker der populärste Bildhauer des "Dritten Reiches" – soll an der Stelle eine repräsentative Ausstellungs- und Schaffensstätte entstehen. Der Architekt Oswald Bieber – nicht nur Mitglied des Werkbundes und seit 1922 auch Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste, sondern in den 30er Jahren auch Vertrauensarchitekt im Generalrat für die Hauptstadt der Bewegung – erhielt den Auftrag. Es entsteht ein Präsentations- und Ateliergebäude mit Oberlichtern, dessen mit Stufen gestalteter Zugang und schmale Türbreite jedoch ungeeignet sind, um Material für die großformatige Arbeiten Toraks hinein und dessen monumentale Werke wieder hinaus transportieren zu können. Und so nutzte Torak das Atelier nie.

Nach dem zweiten Weltkrieg nahmen Künstler den Wiederaufbau des zum Teil zerstörten Gebäudes in die Hand, um ihn für eine neue zeitgenössische Kunst zu aktivieren. Bis heute ist der Kunstpavillon ein von Künstler*innen kuratierter Raum, dessen Programm durch die Stadt gefördert wird. Doch die Gründungsgeschichte bleibt sein Hintergrund.

 

Das Atelier, als Ort des künstlerischen Schaffens, macht Alix Stadtbäumer daher zum zentralen Motiv und Konzept ihrer Ausstellung. Die ins monumentale verschobenen Dimensionen einiger ihrer gezeigten Objekte erscheinen mit dem Blick auf die Historie als humorvoller Konter auf deren politisch funktionalisierte Kunst und deren pathetische Bedeutungssucht.

In einer im Understatement stattdessen leichtfüßig auftretenden, übergreifenden Werkschau legt Alix Stadtbäumer die Spuren aus zu unterschiedlichen Projekten, die fast ausnahmslos – was die dreidimensionalen Werke betrifft – im Stadium ihres unfertigen Werkprozessen vorgestellt werden; so etwa die Modelle oder Gussformen von Kunst am Bau Projekten. Daneben zeigt sie uns das Arbeitsmaterial des Ateliers in den Nachformungen von Werkzeugen im Überformat. In all dem wird das bewusste Spiel mit Dimensionen und der Verfremdung des gewohnten Bezugs zu unserem Körper deutlich, verstärkt im offensichtlichen Ausdruck ihres Gemacht-seins. Schweres wird in leichtem Material übersetzt und Leichtes erhält Gewicht, Kleinformatiges wird überhöht, Vergängliches dauerhaft.

 

Das Atelier ist ein komplexer Ort, es ist Denk- und Konzeptionsort, Labor und handfester Arbeitsraum wie auch Lagerraum und Archiv des eigenen Schaffens. In ihm geschieht Prozesshaftes. Wenig entsteht bei Alix Stadtbäumer spontan, sondern beruht meist auf einer langen und intensiven Reflexion und Recherche, und der immer wieder neuen Befragung und Abänderung.

Und nicht zuletzt ist das Atelier auch ein Kommunikationsort. So hat Alix Stadtbäumer vor auch nach der Ausstellungseröffnung direkt hier vor Ort an einzelnen Tagen während der Ausstellungszeiten weiter an Projekten zu arbeiten, und offen zu sein für die Gespräche, die sich mit den Gästen dabei ergeben.

 

Ein markantes Motiv im Ausstellungsraum ist das Regal. Es ist der Ort des Lagerns aber auch des Sammelns, der finalen Unterbringung wie der Aufbewahrung, bis es zur Wiederaufnahme und Weiterführung oder erneuten Umformung der Objekte kommt, die in ihrer klaren Reduziertheit doch immer wieder auch zu neuen Gestaltungsausformungen anstoßen.

Sinngemäß, einer Feststellung Peter Weibels entsprechend, kommt es nicht darauf an, ob ein Werk selbst hochkomplex aussieht, sondern wie komplex die Assoziationen und Bezüge sind, die sich mit ihm herstellen lassen. Die Motivgeschichten, Bezüge zu kulturellen, historischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen, persönliche Eindrücke, Bilder und Erlebnisse bilden einen aus vielen Strängen bestehenden, unsichtbaren Bedeutungsteppich hinter jeder der Arbeiten von Alix Stadtbäumer.

Aber auch freie, scheinbar surreale poetische Spiele dürfen sich beim Blick auf das vermeintlich Beiläufige ergeben – wie etwa bei der mysteriös erscheinende Ziffer 12, die auf einem Segment eines Modells der Kugelstränge sitzt, oder die vielzähligen Ansätze auf einem zweitem Segment, bei dem man beginnt, sich die fehlende Formen möglicher Anschlüsse vorzustellen.

 

Die Arbeiten und Projekte von Alix Stadtbäumer sind immer auch ein Ausdruck ihrer großen Wertschätzung der Schöpfungen der Natur und des Geistes. In ihrer eigenen künstlerischen Sprache sind sie Ausdruck dieses Respekts, der mit großer Belesenheit und Interesse an künstlerischen, literarischen und naturwissenschaftlichen Auseinandersetzungen hinterlegt ist.

 

Alix Stadtbäumer kommt von der Bildhauerei, das Plastische ist ihr Feld auch bei den scheinbar zweidimensionalen Arbeiten. Ein neues Terrain tut sich auf mit der jüngsten Werkreihe mit dem Titel „Seltene Erden“. Mehrere große Blätter und Tafeln im Ausstellungsraum zeigen eigenartige Landschaften, sie erscheinen wie die Umrisse von Kontinenten. Anders als in den früheren Arbeiten ist es nicht die Reduktion, sondern das Nachzeichnen einer vielgestaltigen, komplexen Spurenlandschaft, die die Natur absichtslos angelegt hat. Die Vorlage dieser grafischen Arbeiten sind Muscheln, von Austern produzierte Schalen, die Alix Stadtbäumer seit vielen Jahren als Strandgut sammelt. Ihre Hüllen sind ungleich, jede einzelne für sich individuell gewachsen und schließlich vom Meer und dem Sand abgeschliffen, die hinterlassenen Spuren eine Aufzeichnung von Zeit und Bewegung. Während der Arbeit an dieser Serie, tauchen in den Medien immer wieder Berichte über der „seltenen Erden“ auf. Alix Stadtbäumer verbindet beides zu einem poetischen Spiel – die Muschelhülle in der riesenhaften Dimension ihrer Nachzeichnung scheinen zum Abbild eines eigenen, fremden Kontinents zu werden, die Karte einer unbekannten Welt, während Metalle als seltene Erden bezeichnet werden, und der Begriff einen Plural eines Planeten formuliert, der, soweit wir wissen, nur einmalig existiert.

Von da aus wird es weiter gehen...

 

Es fühlt sich etwas seltsam an, an dieser Stelle zu stehen und über die Arbeiten von Alix Stadtbäumer zu sprechen, weil wir Kolleg*innen sind und sie es selbst sehr viel besser als ich könnte. Alix Stadtbäumer ist eine hoch reflektierte und belesene Künstlerin, als künstlerische Kuratorin hat sie viele Jahren die Artothek und deren Programm betreut, und hat Ausstellungen und große Projekte darüber hinaus gemeinsam mit anderen Künstler*innen konzipiert und zu ihnen gesprochen.

Mein Versuch hier ist, in Worte zu fassen, wie sehr mich ihre Arbeit beeindruckt und ich sie schätze. Bei dem Kunstgespräch, zu dem Alix Stadtbäumer im Oktober Sie alle im Rahmen der Ausstellung einlädt, wird sie selbst über ihre Arbeit zu hören sein, und darauf freue ich mich!

 


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Ein Ort, den es nicht gibt

Julia Kissina & Alix Stadtbäumer im Raum für Gäste /Aachen

Auszug aus der Einführungsrede von Anna Wondrak /Kunsthistorikerin


.......Alix Stadtbäumer wurde in Münster geboren, studierte an der Kunstakademie in München und an der Rijksakademie Amsterdam. Sie erhielt neben anderen Auszeichnungen ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für London sowie den Förderpreis und das Förderstipendium der Stadt München. Stets erforscht sie die Beziehungen zwischen dem Betrachter, der Umgebung und der Architektur und schafft mit ihrer Kunst neuen Raum für Ideen.

Neben der Auseinandersetzung mit dem Alltäglichen schöpft sie aus dem Fundus der Natur und deren Formen, die sie auf klare Grundmuster reduziert und mit unterschiedlichen Materialien wie Metall, Gummi oder Gips in eine erzählerische Bildsprache übersetzt. Besonders Bäume sind ein häufig wiederkehrendes Motiv.

Dabei sind Bäume hier keine in voller Blätterpracht stehenden Pflanzen. Wie Sie sehen können, haben die Baumstümpfe weder Äste, noch Blätter, noch Öffnungen. Durch die Vereinfachung der Formen bekommen die Baumstämme eine torsihafte und figurative Anmutung. Alix Stadtbäumer verwendet unterschiedliche Materialien, was man nicht nur sieht, sondern auch erspüren kann.

Der in Gummi gegossene Löffelbaum stammt aus den 1990er Jahren, als Alix Stadtbäumer anfing, sich mit dem Thema Bäume zu beschäftigen. Während ihrer Zeit in London fiel ihr damals auf, wie viel Einfluss das Wetter auf die Formen der Natur hat, wie sich Bäume je nach Platz drehen und winden, wie sie schief werden oder kleine Ausstülpungen entwickeln. Fast immer aber finden sie einen Weg, um zu wachsen.
Die Vorbilder zu diesem Baum hier finden sich in der Heimatstadt der Künstlerin in alten romanischen Kirchenreliefs. Alix Stadtbäumer verwendet keinen Naturkautschuk, sondern Kunststoff. Dadurch schreibt sie dem Baum neue Eigenschaften ein, er kann nicht mehr brechen.

Wenn Sie sich auf den großen, mit weißem Gips modellierten Baumstamm zubewegen spüren sie, dass er innen hohl ist. Auch hier gibt es keinen Eingang, kein Guckloch – der Baum verbirgt sein Innenleben vor dem Betrachter. Seine glatten Schnittstellen wirken fast ein wenig wie matte Spiegel, die den Blick auf einen selbst zurückwerfen.

Bäume als Symbole haben eine lange und tiefgreifende Bedeutung in unserer Kultur und Geschichte. Als religiöse und mythische Sinnbilder stehen sie für Leben, Hoffnung und Glaube und verweisen auf die tiefe Verbundenheit von Mensch und Natur. In der Landschaft dienten sie besonders früher als Grenzmarkierungen und Treffpunkte. Dass Waldbaden einfach guttut und Bäume als nachhaltiger Rohstoff und Reinigungsinstrument unserer Luft eine wichtige Rolle spielt, ist bekannt. Es gibt also viele verschiedene Konnotationen, aus denen jeder von Ihnen seine eigenen Bezüge herstellen darf.

Ein bisschen Farbe ist Ihnen sicherlich auch schon ins Auge gefallen. Auf dem Boden liegen Blumenkelche. In diesen abstrakten Tulpenformen aus Pappe lebt Alix Stadtbäumer ihre Lust an Konstruktion und Abstraktion aus und zeigt die Klarheit und Schönheit der Tulpenformen.

Im zweiten Raum auf der anderen Straßenseite sehen Sie neben weiteren Zeichnungen von Julia Kissina noch eine von der Decke abhängende orangene Schlaufenform von Alix Stadtbäumer. Wie in vielen anderen ihrer Skulpturen findet sich auch hier eine klare Formensprache, wobei die formale Klarheit eine inhaltliche Mehrdeutigkeit absolut zulässt, ja sogar erwünscht. Die ineinander verschlungene organische Form ohne Anfang und Ende könnte eine Pflanzenfaser sein, oder ein Zellstrang. Wenn Sie sich im Raum um die

Skulptur herumbewegen, verändert sich naturgemäß ihre Form ständig und weckt die verschiedensten Assoziationen.

Der Gegensatz von Modelieren mit einem weichen Material und dem Konstruieren ist eine Vorgehensweise, die Alix Stadtbäumer schon seit ihrer Zeit an der Kunstakademie in München bevorzugt, ermöglicht doch jede Technik eine andere Herangehensweise für die Umsetzung ihrer Ideen.

Der Ausstellungstitel „Ein Ort, den es nicht gibt“ verweist zum einen auf seine Nichtexistenz als utopisches Konstrukt aber gleichwohl verorten die gezeigten Zeichnungen und Skulpturen diesen Ort hier im diesem Raum und somit in der Realität. Hat man in den Arbeiten von Julia Kissina und Alix Stadtbäumer die erste Ebene der rein ästhetischen Wahrnehmung erst einmal durchschaut, gerät man in einen tiefgründigen Strudel menschlicher Emotionen, die den Betrachter mit Fragen nach der eigenen Positionierung in dieser Welt und der Sinnhaftigkeit des Lebens konfrontieren.

Beide Künstlerinnen, wie eingangs erwähnt, verbindet das Erzählen von Geschichten. Dabei werden diese Geschichten gar nicht unbedingt zu Ende erzählt, es wird nicht alles ausgesprochen. Beide erforschen unsere schwankende Beziehung zwischen Realität und Unterbewusstsein und hinterfragen unsere Beziehungen zur Natur.

Die Pianistin Helene Grimmaud hat einmal gesagt „Es gibt Entspannung nur in Balance mit Anspannung. Ohne Anspannung keine Form, dann ist alles flach, tote Zeit.“
Es gilt also, die perfekte Balance im Leben zu finden. Gerade mit der inneren Fragilität unseres Seins und den Konstruktionen, die wir Menschen so kreieren, ist dies jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Genießen Sie deshalb jetzt die Ausstellung und schauen Sie sich die Arbeiten genau an – denn sie beweisen, dass es sich durchaus lohnt querzudenken, neu zu kombinieren, und eine Ausgewogenheit von innen und außen, Sein und Schein, auch mal anders auszulegen – dann findet man die Balance überraschenderweise vielleicht da, wo man sie nie vermutet hat – das gilt nicht nur für die Kunst, sondern auch fürs Leben.